MÜNCHEN: Retrospektive Analyse nach Implantation eines artifiziellen Harnröhrensphinkters. Der artifizielle Harnröhrensphinkter AMS 800® (Boston Scientific, USA; vormals: American Medical Systems, Minnetonka, MN/USA) kann insgesamt als effektives Therapiesystem mit einer hohen Patientenzufriedenheit von rund 82 Prozent im Studienkollektiv angesehen werden. In der hier vorgestellten Studie konnte ein signifikanter negativer Effekt einer präoperativen Antikoagulation, der primären Implantation eines Doppel-Cuff-Systems sowie einer stattgehabten pelvinen Bestrahlung nachgewiesen werden. Diese Faktoren konnten somit erstmals als Risikofaktoren für ein Therapieversagen definiert werden. Der perineale Zugangsweg scheint außerdem vorteilhaft. Der AMS 800 ist die Therapieform der Wahl zur Behandlung der schweren persistierenden Belastungsinkontinenz des Mannes. Er wird heutzutage mit Abstand am häufigsten eingesetzt und vereint hohe Effektivitätsraten mit jahrzehntelanger Erfahrung. Allerdings sind hohe Komplikationsraten beschrieben. Obwohl der AMS 800 schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird, sind die Risikofaktoren für ein Therapieversagen beziehungsweise für Revisionsoperationen bisher nicht klar definiert. In der vorliegenden Studie sollten Risikofaktoren für ein Therapieversagen nach der Implantation eines AMS 800 untersucht werden.
Methode Die Daten von 84 Patienten, die zwischen März 2002 und Mai 2012 einen AMS 800 implantiert bekommen hatten, wurden retrospektiv und monozentrisch analysiert. Die Effektivität wurde anhand des täglichen Vorlagenverbrauchs evaluiert. Patienten ohne Vorlage wurden als kontinent definiert. Patienten mit maximal einer Vorlage in 24 Stunden wurden als sozial kontinent definiert.
Es wurde eine Liste potenzieller Risikofaktoren erstellt und im Anschluss der Einfluss der Risikofaktoren auf Explantations- und Revisionsraten, Implantatinfektionen, Harnröhrenarrosionen sowie die Kontinenzraten statistisch mittels Chi-Quadrat-Tests untersucht. Der statistische Vergleich hinsichtlich des Vorlagenverbrauchs erfolgte mithilfe einer Wilcoxon-Analyse bei einem statistischen Signifikanzniveau von p<0,05.
Ergebnisse Das mittlere Follow-up betrug 39,7 Monate. 71 Prozent der AMS 800 wurden penoskrotal implantiert, 29 Prozent über einen perinealen Zugangsweg. Im Mittel wurden präoperativ neun (4–20) Vorlagen benötigt. Nach dem maximalen Follow-up war der AMS 800 noch bei 64 von 84 Patienten (76 %) in situ, mit einer Kontinenzrate (0 Vorlagen in 24 h) von 29 Prozent (16/64) und einer sozialen Kontinenzrate (0–1 Vorlage in 24 h) von 52 Prozent (33/64) bei einem mittleren Vorlagenverbrauch von 1,6 (p=0,001).
Patienten, die eine präoperative Antikoagulation benötigten, hatten signifikant höhere Harnröhrenarrosionsraten (6 % vs. 30 %; p=0,002) und Explantationsraten (15 % vs. 34 %; p=0,047). Pelvin vorbestrahlte Patienten wiesen signifikant höhere Infektionsraten auf (0 % vs. 10 %; p=0,018). Der penoskrotale Zugangsweg zeigte signifikant erhöhte Arrosionsraten (0 % vs. 21 %; p=0,015), wobei kein Unterschied bezüglich einer vorherigen Bestrahlung und einer eingenommenen Antikoagulation zwischen den Gruppen der penoskrotal und der perineal operierten Patienten bestand. Die Implantation eines Doppel-Cuff-Systems führte zu einer signifikanten Erhöhung der Explantationsrate (58 % vs. 24 %; p=0,014) und der Revisionsrate (75 % vs. 38 %; p=0,017) sowie einer signifikanten Steigerung der Implantatinfektionen (17 % vs. 1 %; p=0,008).
Literatur:
Kretschmer A, Buchner A, Grabbert M, Bauer RM et al. Risk factors for artificial urinary sphincter failure. World J Urol 2015 Aug 8. [Epub ahead of print]
Autoren:
M. T. Grabbert, A. Kretschmer, C. G. Stief, R. M. Bauer
Urologische Klinik und Poliklinik
Klinikum der Universität München (LMU)
Korrespondenz:
Dr. Markus Grabbert
E-Mail:
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