... also ich muss dem Helmut beipflichten, was die Offenheit bezüglich der Selbsthilfegruppen angeht, und wenn ich mich recht erinner, war's das erste Mal im deutschen Fernsehen, dass Leute völlig ungeniert darüber gesprochen haben, dass sie zwar ein Problem haben, aber dass sie mit den passenden Hilfsmitteln ihr Leben fast unbeeinträchtigt gestalten können.
Aus eigener Erfahrung, wenn über eigene Herzensanliegen berichtet wird, weiß ich, dass die Fernseh-Welt nie perfekt ist, weil jeder Journalist eigene Schwerpunkte hat. Aber ein paar bemerkenswerte Sachen mag ich im Gegensatz zu den "Defizit-Sehern" schon erwähnen. Da war die Frau, deren Mann wie völlig selbstverständlich beipflichtete, es sei schon bei der Mutter und der Oma normal gewesen, dass die nach einem halben Dutzend Geburten nicht mehr kontinent sind (ist glaub ich inzwischen aus dem allgemeinen Wissen verschwunden). Da waren die Leute aus der Selbsthilfegruppe, die endlich aus der "Schmuddelecke" entkommen sind, auch wenn's überwiegend Rentner waren (was ja die Alltags-Erfahrung bei Selbsthilfegruppen ist). Nicht zuletzt der abwägende Beitrag zur Frage der gutartigen Prostata-Vergrößerung: Soll ich, wenn's da läuft, operieren lassen, oder läuft's dann umso mehr? Und die Dame, die sagte, dass sie sich nun in der City viel freier bewegte, weil sie weiß, dass sie Dank ihrer Vorlagen nicht mehr panisch reagieren muss ...
Allein die zuletzt genannte Äußerung mag auf viele Zuseher anregend gewirkt haben, sich endlich mal mit Vorlagen zu beschäftigen. Ich kenn auch noch die Zeit, wo ich lieber zu Hause geblieben bin. Was für eine Befreiung ist es doch, sich wieder in die Stadt zu trauen! Wenn die Sendung nur ein paar Dutzend Zuschauern geholfen hat, ihre Angst zu überwinden, war's das wert! Könnt ihr "Profis" euch noch an die neurotisierende (!) Wirkung erinnern, die der erste Unfall in der Stadt beim Shopping hatte?
Natürlich kann auch keine Schwerpunktsendung umfassend sein. Auch mein Problem der unvollständigen Muskelkontrolle (nur die halbe Blasenmuskulatur funktioniert, nutzt den funktionierenden Rest vorzeitig ab) hat natürlich gefehlt ... Aber so eine Sendung ist ein Anfang, endlich das Tabu Inkontinenz zu überwinden. Zugegeben, mir macht's ein guter Freund mit zeitweise deutlich sichtbareren Problemen der Gesichtsmuskulatur einfach, wenn er sagt, bei mir sieht man nix und riecht man nix -- aber es wäre schön, wenn man einfach noch unbeschwerter leben könnte, weil unser Problem noch mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet. Darum, liebe Leut, freu ich mich auf die nächste Sendung mit den nächsten Facetten ... Lasst noch ein paar Jahre ins Land gehen ...
Liebe Grüße vom
Andreas
PS: Ich weiß, übriges, wovon ich rede, wenn ich "ein paar Jahre ins Land gehen" sag ... Nur falls sich jemand erinnert ;-) Vor ziemlich genau zehn Jahren, im Juni 1994, hab ich auf dem F.D.P.-Parteitag in Rostock mit einer flammenden Rede den Programmpunkt zur Einführung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften durchgesetzt, und das gegen ausgesprochen große Widerstände. Heute ist das in der FDP kein Thema mehr, und obendrein geltendes Gesetz. Bilder von der westfälischen "Bauernhochzeit", wo ich im Mai war, gibt's übrigens unter
http://www.geocities.com/dirkunddirk/index.html , ich bin der Typ in der braunen Cordhose, und den immer mal wieder erwähnten Mann mit der Facialis Parese findet ihr mit mir in Bild Nummer 67 ...