Das Windelkartell rührt sich
Am 11. 7. hatte ich der BARMER eine kurze Zusammenfassung des letzten Telefongesprächs (s. Windelkartell hat sich verrechnet) geschickt. Dazu eine Aufzählung der unbeantworteten Briefe und die Vermutung, dass ich auch diesmal nicht Schriftliches bekommen würde. Jetzt haben sie wohl gemerkt, dass Aussitzen auf Dauer nichts bringt und dass sie sich rühren müssen. So kam heute dieser Brief:
Inkontinenzversorgung
Sehr geehrte Frau xxx,
der Gesetzgeber hat verfügt, dass die Krankenkassen über den Weg der öffentlichen Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern schließen müssen. Dies hat die BARMER für den Bereich der Inkontinenzversorgung umgesetzt.
Im Rahmen dieser Neuregelung hat die BARMER durch eine Ausschreibung den neuen Vertragspartnerin ihrem Bereich die Firma RZV - ausgewählt. Zum 01.02.2008 ist dieser neue BARMER Vertrag für die Versorgung unserer Versicherten mit Inkontinenzartikeln in Kraft getreten. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt ausschließlich die Firma RZV die Beratung und Belieferung mit Inkontinenzartikeln vornehmen darf.
Sie vertreten die Aurfassung, dass es Ihnen der § 33 Absatz 6 erlaubt sich bei berechtigtem Interesse durch einen anderen Lieferanten versorgen zu lassen. Ein berechtigtes Interesse können wir jedoch nicht feststellen, da die Firma RZV in der Lage ist Ihre Ehefrau mit hochwertigen Inkontinenzartikeln - welche im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind - zu versorgen. Ein Eigenanteil - bis aus die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung -fällt hierfür nicht an.
Der Vertrag wurde auf Basis einer Pauschalvereinbarung getroffen, dass heißt, egal wie viele Inkontinenzartikel Ihre Ehefrau heute oder in Zukunft verbraucht, die Höhe der Pauschale - und die Höhe Ihrer gesetzlichen Zuzahlung - bleibt gleich.
Mit der Pauschalregelung sind die Leistungsaufwendungen der BARMER für die Region des Anbieters RZV abgegolten. Daher ist es unerheblich, ob ein Versicherter für den individuellen Monatsbedarf einen wesentlich geringeren Betrag für eine Selbstbeschaffung aufwendet. Entscheidend für die Abwägung der Individualinteressen des Einzelnen und der Interessen der Solidargemeinschaft der BARMER-Versicherten ist die Gesamtkalkulation für den jeweiligen Versorgungsbereich. Da der individuelle Verbrauch im Bereich der Inkontinenzhilfen stark variiert, verbietet sich eine Einzelbetrachtung, wenn in der Gesamtheit aller Versorgungsfälle eine wirtschaftliche Versorgung über eine Pauschalregelung sichergestellt werden kann.
Daher müssen Ihre Interessen hinter die Interessen der Solidargemeinschaft zurücktreten, weshalb dem Antrag auf freie Anbieterwahl nicht stattgegeben werden kann. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V kann daher nicht festgestellt werden.
Das den Ausschreibungen zugrunde liegende Vergaberecht sieht vor, dass die Gewinner einer Ausschreibung das exklusive Versorgungsrecht in den ihnen zugeschlagenen Versorgungsbereichen erhalten. Eine Versorgung ist nur über den Vertragspartner als Sachleistung im Rahmen des Vertrages möglich, eine Kostenerstattung oder Weitergewährung der bisherigen Versorgung scheidet aus. Dies gilt auch für den bisherigen Bezug aus Apotheken. Diese Auffassung wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit bestätigt.
Weiterhin wünschen Sie jedoch ein bestimmtes Produkt. Wir empfehlen Ihnen daher, sich von unserem Vertragspartner im Rahmen eines Hausbesuches über die verschiedenen Produkte beraten zu lassen wir weisen allerdings darauf hin, dass bei Bezug eines teureren Produktes - welches von der Pauschalregelung nicht erfasst ist - etwaige Mehrkosten zu Ihren Lasten gehen.
Es ist uns unter Berücksichtigung des § 33 Abs. 6 Satz 2 auch nicht möglich Ihnen die Versorgungspauschale auszuzahlen, da nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich der Ausschreibungsgewinner zur Versorgung der Versicherten (zu Kassenlasten) berechtigt ist.
Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie auch unter Berücksichtigung unserer heutigen Erklärungen an Ihrem Widerspruch festhalten wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Kxxxxxxx
Dabei fällt mir auf Anhieb auf:
1. Wieso soll ich am Widerspruch festhalten? Mein Widerspruch vom 25. Mai 2008 hatte eine Frist bis zum 12. Juni. Die BARMER hat auf eine Antwort verzichtet und dem Widerspruch faktisch stattgegeben.
2. Die BARMER behauptet, das Vergaberecht verlange eine exklusive Versorgung durch den Vertragspartner und schließe eine anderweitige Beschaffung aus. Wenn dem so wäre, stünde es im Widerspruch zum SGB V § 33.2. Diesen Widerspruch kann ich nicht klären. Weder kenne ich den Vertrag, noch habe ich Lust mich ins Vergaberecht einzulesen.
3. Die BARMER behauptet, mein berechtigtes Interesse an der Wahl des Lieferanten nicht feststellen zu können. Das ist eine nachgeschobene Behauptung. Tatsächlich habe ich mein berechtigtes Interesse seit dem 20. März wiederholt geltend gemacht, und es war bisher nie strittig.
4. Die BARMER bestreitet mein berechtigtes Interesse mit dem Hinweis, RZV könne hochwertige Inkontinenzartikel liefern. Darum ging es nie. Die Probleme mit RZV bestehen in der Unpünktlichkeit, dem überhöhten Preis und der mangelhaften Rechnungsstellung.
5. Die BARMER kann in meinem Fall kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V feststellen. Wieso spielt sich die Barmer als Richter über meine Interessen auf? Das SGB V spricht von den berechtigten Interessen der Betroffenen und nicht von Recht der Krankenkassen, diese zu kontrollieren.
6. Die BARMER behauptet, sie könne der eigenen Beschaffung nicht zustimmen, und zwar einerseits in meinem Fall mangels berechtigtem Interesse, und andererseits generell wegen des Vergaberechtes. Das widerspricht sich. Oder wie wollte sie verfahren, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt?
7. Die BARMER sieht ein Problem darin, dass ich TENA- Produkte beziehe und nicht SENI, wie von RZV empfohlen. Das ist nicht das Problem. Auf dem Rezept stand TENA (allerdings war AUT IDEM nicht angekreuzt), SENI hat sich in unserem Fall als ungeeignet erwiesen, die Mehrkosten sind mir egal, und RZV hat TENA geliefert.
8. Die BARMER behauptet, eine Auszahlung der Versorgungspauschale sei aus gesetzlichen Gründen nicht möglich. Das kann nicht stimmen. Am 4. März habe ich wegen der Lieferschwierigkeiten bei RZV eine Rechnung für selbstbeschaffte TENA bei der BARMER eingereicht und eine Erstattung bekommen.
Jetzt habe ich es also schwarz auf weiss, aber so komme ich nicht weiter. Und ein Prozess vor dem Sozialgericht? Das ist bestimmt mühselig, und wann ein Ergebnis kommt steht in den Sternen. Sowas läßt sich sicher verschleppen. Eine zufrieden stellende Lösung sehe ich noch nicht.
Gruß
Wilfried