Der transobturatorische Operationsweg ist eine neue Option der TVT-Methode
28.12.2004 - KASSEL (MedCon) – Die Erfolgsquote der TVT-O-Methode beträgt fast 90 Prozent. Die bei klassischer TVT möglichen Blasen-, Darm- oder Gefäßverletzungen traten bisher nicht auf.Die Belastungsinkontinenz ist ein wichtiges Krankheitsbild, da zirka 20 Prozent aller Frauen in Deutschland darunter leiden. Die minimal invasiven Operationsverfahren, vor allem das TVT-Band, haben sich deshalb zu Recht in Deutschland etabliert. Jedoch geht der gängige retropubische Zugangsweg mit dem Risiko möglicher Blasen-, Darm- oder Gefäßverletzungen einher. Auch Überkorrekturen mit hartnäckigen Harnverhaltungen werden beschrieben. Deshalb stellt der transobturatorische Operationsweg eine neue vielversprechende Alternative dar.
Beim klassischen TVT-Band wird ein Propylen-Netzband spannungsfrei von der vorderen Vaginalwand aus U-förmig um die mittlere Harnröhre gelegt und retropubisch durch das Becken bis zur vorderen Bauchwand geführt. Das neue TVT-O-Band hat den gleichen Zugangsweg über die ventrale Scheidenwand, wobei die Lage im Bereich der Urethra und das Wirkprinzip gleich sind wie bei der Originalmethode.
Allerdings wird dann das Propylen-Netzband mit einem speziellen Instrument beiderseits durch den ventralen Bereich der Foramina obturatoria an den Oberschenkelinnenseiten nach außen geführt.
Eine Verletzung von Harnblase, Darm oder Iliacalgefäßen ist bei dieser Vorgehensweise nicht möglich. Auch können die obturatorischen Gefäße beziehungsweise der Nerv nicht tangiert werden, da sie im dorsalen Bereich des Foramen verlaufen. Ebenso scheint die Bandeinlage von „innen nach außen“ von Vorteil zu sein, da man sich operativ aus der „Gefahrenzone“ entfernt und die Urethra sozusagen vor Augen hat.
Bei transobturatorischen Bändern, die von „außen nach innen“ geführt wurden, wurde bereits über Verletzungen der Urethra oder der Harnblase berichtet.
Die Operationsdauer ist mit zirka zehn Minuten etwa halb so lang wie beim klassischen TVT-Eingriff, da das Auffüllen der Harnblase und die Zystoskopie entfallen. Einen transurethralen Dauerkatheter belassen wir postoperativ grundsätzlich nicht. Nur die Patientinnen, bei denen urodynamisch eine deutliche Detrusorschwäche diagnostiziert wurde, erhalten eine suprapubische Harnableitung. Alle bisher in unserer Klinik nach der TVT-O-Methode operierten Patientinnen konnten wenige Stunden nach dem Eingriff spontan miktionieren. Auch bei den Frauen mit einer Detrusorschwäche konnte die suprapubische Harnableitung nach wenigen Tagen entfernt werden. Harnverhaltungen beziehungsweise größere Restharnmengen haben wir bisher nicht feststellen können.
Möglicherweise besteht ein Vorteil darin, dass die Urethra bei einem transobturatorischen Vorgehen dem Band nur punktuell aufliegt und damit eine gewisse Mobilität erhalten bleibt, während beim retropubischen Weg die Harnröhre zu 50 Prozent vom Band umfasst wird. Die Erfolgsrate ist nach den bisherigen Erfahrungen vergleichbar mit der herkömmlichen TVT-Methode von fast 90 Prozent. In unserer Klinik wurden bisher über 80 Patientinnen nach der neuen TVT-O-Methode operiert. Intra- beziehungsweise postoperative Komplikationen haben wir bisher nicht beobachten können. Viele Patientinnen berichten lediglich in den ersten 24 Stunden nach der Operation über ein Muskelkater-ähnliches Gefühl im Bereich der Oberschenkelinnenseite, das aber von selbst verschwindet.
Der stationäre Aufenthalt beträgt in unserer Klinik zur Zeit etwa fünf Tage. Eine kürzere Verweildauer ist nach ausreichender Erfahrung mit der Methode durchaus vorstellbar.
Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist die neue TVT-O-Methode eine gute Alternative zu den retropubischen Operationen, da die guten Ergebnisse dieser Verfahren mit einem geringen Komplikationsrisiko kombiniert werden können. Deshalb sind Studien wünschenswert, um Ergebnisse zu sichern.
Autor: Dr. Ralf Bentler, Diakonie-Gesundheitszentrum Kassel, Abteilung für Gynäkologie, Goethestraße 85, 34119 Kassel
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