#6 von matis » 07 Dez 2012 20:41
Es ist mir hier und da auch aufgefallen.
Unter´m Strich höre und lese ich immer häufiger oder bestimmter:
Inkontinenz ist heute kein Thema mehr: "Eigentlich muss keiner mehr inkontinent sein".
Nicht weil die Hilfsmittel zahlreicher, verschiedener oder besser geworden wären,
sondern weil man heute nur noch Medikament A oder Operation B braucht und alles ist wieder perfekt in Ordnung.
Ganz so einfach kann man sich das natürlich nicht machen.
Dem einen hilft eine Pille gut, dem anderen wenig, dem einen hilft sie viel, dem anderen ein Bisschen.
Die OP kann eine "solche Lage" selten ganz aufheben, oft aber verbessern. Das muss aber auch nicht zwangsläufig der Fall sein und mögliche Risiken sollten schon individuell abgewogen werden.
Nebenbei frage ich mich auch: "Bin ich nicht mehr inkontinent, wenn ich kein Urin mehr im Bett, in der Hose oder in einem Hilfsmittel verliere, sondern durch einen Katheter in einen Beutel?".
Diese Fragen lassen sich ergänzen:
"Bin ich kontinent, wenn ich mit einem Blasenschrittmacher quasi auf Knopfdruck was ins Klo fallen lasse?", "Bin ich nicht inkontinent, weil eine tägliche Dosis eines Chemiecocktails die Blasenaktivität fast auf 0 setzen und ich gelegentlich dann die Blase per Schlauch entleeren kann?".
Ich für meinen Teil beantworte die Fragen mit: "Ich bin Inkontinent, sonst könnte ich all diese Dinge sein lassen".
Und dann frage ich mich, was mich weniger stört, wovor ich weniger Angst habe, womit ich weniger Risiken befürchte, womit ich leben kann und womit nicht.
Persönlich komme ich mit saugenden Hilfsmitteln ganz gut klar. Wenn ich mal eine Entleerung auf einer Toilette erreiche, ist das gut, wenn es mal nicht so funktioniert und unterwegs passiert, habe ich ein sicheres Hilfsmittel, das noch keiner an mir entdeckt hat und stand hält, also ist es auch nicht wirklich schlimm.
Auf der Arbeit, zu Hause, unterwegs in der Freizeit - ich kenne mich, mein Problem und wann ich was zu wechseln habe, kann dies Timen und in allen Lebenslagen bzw. unter allen Umständen organisieren.
Zugleich habe ich mich an dieses Hilfsmittel gewöhnt, so dass ich eigentlich schon meine, gar kein Problem zu haben.
Natürlich bin ich offen, für gelegentliche Untersuchungen und neue Therapieansätze, die nächstes Jahr wieder angegangen werden, richte aber mein Leben nicht danach und meine dabei: "Dies ist auch gut so."
Wenn mal etwas dabei ist, was nicht zusätzlich genommen oder gemacht werden muss, weil es gänzlich hilft, ohne spürbare Risken und Nebenwirkungen oder nur einen Nachteil gegen einen anderen Nachteil zu tauschen, dann bin ich dabei, wenn nicht: So what.
Das hat nichts mit unterwerfen, aufgeben, abfinden o.ä. zu tun.
Viel mehr war es bisher ein persönlicher Lernprozess, mit Erfolg was das psychische Befinden drum herum angeht, trotz Inkontinenz, trotz und dank Inko-Slip, mich (wieder) wohl und selbstbewusst zu fühlen.
Aber ich bin ich und nicht die Masse.
Man kann eben nicht alle über einen Kamm scheren.
Außerdem bin ich rein Urin-inkontinent, leide nicht unter einer Stuhlinkontinenz. Mit Stuhlinkontinenz wäre es dann doch sehr viel schwerer und vieles nicht so machbar, wie ich es für mich organisiere.
Bei einer Stuhlinkontinenz wäre ich zu deutlich mehr bereit, auch hinein in andere oder größere Risiken und Nebenwirkungen.