#12 von Elisabeth » 17 Jul 2006 00:42
Liebe Klaro,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag und die wertvollen Tips, speziell mit den Windeln, habe mir schon den Kopf zerbrochen, wie man sie besser fixieren könnte, auf die "Hinterseite" bin ich noch gar nicht gekommen.
Nun ist aber in den letzten Tagen und Nächten schon wieder so viel Neues passiert, daß wir das alles selbst kaum glauben können (werde wahrscheinlich keine Kurzfassung hinkriegen):
Dank einer opiumhaltigen Mixtur waren die Stuhlgänge nicht mehr ganz so zahlreich, zogen sich aber immer noch durch die Nacht. Irgendwann fiel mir halt auf, daß sein wirklich guter Appetit nachließ, obwohl sonst ein sehr guter Esser, bis zu 4 normal große Mahlzeiten täglich, auch ausreichend getrunken, vor jedem Einkauf Extrawünsche auf Besonderes, das wir nicht ständig vorrätig haben, ist ihm alles gekauft worden.
Manchmal behauptete er schon morgens, er sei satt, noch bevor er einen Bissen Brot gegessen hatte, trank auch keinen Tee mehr, nur noch sein Mineralwasser, dabei knurrte sein Magen unüberhörbar. Jedenfalls hat er immer öfter die Mahlzeiten richtig verweigert, wurde immer müder, fiel zwischendurch an zwei Tagen in einen regelrechten Tiefschlaf, 1 x 18 Std., nächsten Tag 16 Std., nichts konnte ihn aufwecken. Während der ganzen Zeit auch nicht wg. Stuhlgang wach geworden. Irgendwie schien alles völlig durcheinander zu sein, dann war er plötzlich stark verwirrt (erstmalig), zeitlich völlig desorientiert, zeigte erstmalig sogenannte demente Anzeichen, ließ sich bei aggressivem Verhalten nicht mehr leicht beruhigen (auch erstmalig), am nächsten Tag wieder alles ganz normal, dann kam nach Stuhlprobe die Diagnose "akute Darminfektion", Antibiotikabehandlung begonnen, ab dem gleichen Tag sollte die Dosis vom Parkinsonmedikament verdoppelt werden.
Habe ihm dann morgens, wo er wieder ganz "der Alte" war, die Infektion + Antibiotikatherapie erklärt. Konnte sehen, daß er alles verstand, er war wieder lieb, nett, freundlich wie in der ersten Zeit bei uns. Dann wollte er auf einmal unter Tränen wissen, warum ich manchmal so ernst oder auch böse mit ihm sprechen würde, er täte doch keinem etwas. Gemeint waren seine plötzlichen Wutausbrüche, die ich sonst kommentarlos überhört habe, da rein, da raus. Dann sagte mir eine Bekannte, die mit Dementen arbeitet, ich solle mit ihm in der gleichen Sprache sprchen wie er mit mir und dabei ihm fest in die Augen sehen. Hatte ich schon vor zwei Wochen mal wieder ausprobieren müssen, hatte super geholfen. Jedenfalls hatte er Mittwochabend mal wieder so einen "Anfall" gehabt, der nach ein paar Worten von mir sofort vorbei war. Wie schön, schont die Nerven! Dann flossen bei ihm wieder die Tränen, er wünschte sich, daß wir uns alle wieder so gut verstehen würden, wie in den ersten Monaten, die er bei uns war, wir hätten uns doch so gut verstanden, und das Essen, das ich immer so schön appetitlich dekoriere mit frischem Gemüse, Käsehäppchen usw., es möge alles wieder so werden wie bisher. Beruhigte ihn, wir seien nicht böse, aber er könne sich halt nicht alles erlauben, machen wir ja auch nicht.
Er schien wieder glücklich, mittags überkam ihn ein Heißhunger, er bat zum ersten Mal seit ca. 1 Woche um ein normales Essen, hatte Hunger auf Fleisch, Kartoffeln, Gemüse + aß zwar diesmal nicht die ganze Portion, aber immerhin doch gut die Hälfte und ich war sehr erleichtert. Habe sofort meinen Mann bei der Arbeit angerufen und wir atmeten glücklich auf. Habe noch vergessen zu erwähnen, daß der Vater ebenfalls seit einer Woche immer wieder mal zwischendurch die komplette Medikamenteneinnahme verweigerte, war nichts zu machen + das ausgerechnet, wo doch das Antibiotikum schon sichtbar anfing zu wirken. Es wurde dann auch schon mal eine Pille wieder ausgespuckt. Na, jedenfalls hatte ich in Gedanken schon einen großen Haken hinter den Albtraum der letzten zwei Wochen gemacht. Dieser für uns alle drei schöne Tag war Donnerstag.
Der Freitag verlief auch normal, abends zurück von Dialyse, hatte mal wieder mittags einen Sonderwunsch für das Abendessen gehabt, konnte ich ihm nicht erfüllen und hätte ich auch nicht getan, gehe inzwischen nur noch samstags einkaufen, was nicht da ist, besorge ich schon lange nicht mehr zwischendurch, da muß er eben warten. Wir sind ohnehin schon recht reichhaltig mit den verschiedensten Lebensmitteln und großen Vorräten ausgestattet. Aber es widerstrebt mir doch sehr, Essen wegzuwerfen, da er meistens nach einmal probieren von etwas schon wieder genug hat.
Jedenfalls aß er zu Abend eine warme Mahlzeit mit großem Appetit, wollte ins Bett und wir freuten uns, bereits einen zweiten halbwegs normalen Tag gehabt zu haben, auch nachts klingelte er nicht mehr ganz so oft. Welche eine Erholung.
Am Freitagabend ging es dann aber erst so richtig los. Trotz der üblichen Schwäche nach der Dialyse, Abendessen und gewünschter Schlaftablette wurde er plötzlich eine Stunde nach dem Einschlafen wieder wach, sprach zum ersten Mal seit wir ihn überhaupt kennen, völlig wirr und die Sprache wurde immer unverständlicher. Ich möchte betonen, daß er bis dahin nie einen senilen oder dementen Eindruck gemacht hatte, ganz im Gegenteil, recht wach und intelligent, bis halt auf die üblichen kleinen Vergeßlichkeiten, die bei einem 80-jährigen ja normal sind. Habe beruhigend auf ihn eingesprochen (hoffe, das war richtig, da ich mit einem solchen Verhalten noch nie konfrontiert wurde). Schlief dann wieder ein, 1 Std. später wieder wach, unruhig, genau wie vorher, dann wieder Schlaf, 1 Std. später hörten wir Krach, da hatte er sein Tablett mit Wasserbecher usw. vom Nachttisch geworfen, aufgewischt, er wieder eingeschlafen, Stunde später zweite Schlaftablette verlangt (widerstrebend ausnahmsweise gegeben, da er so geschwächt war und wir ihm wünschten, sich gesund zu schlafen), wieder eine Stunde später Wasser runtergeworfen, äußern konnte er sich gar nicht mehr, ich konnte nur noch abfragen und auf ein Ja oder Nein hoffen, steckte sich auf einmal die Notrufklingel in den Mund, dann schlief er sofort wieder fest ein und so ging es die ganze Nacht weiter, jede Stunde wach, einmal war er plötzlich so kräftig, daß er allein aufgestanden war, einmal so schwach, konnte noch nicht mal mit Hilfe stehen, die Beine knickten weg. Wir zogen es vor, erst gar nicht schlafen zu gehen.
Die Überlegung, ihn in ein Krankenhaus noch in der Nacht zu bringen, haben wir dann beiseite geschoben, weil jeder Transport für ihn eine Quälerei ist und sich sein Körper wohl nur noch den Schlaf holen wollte. Habe mich irgendwann hingelegt, mein Mann übernahm eine Nachtwache bis morgens. In der Nacht hatte der Vater noch erbrochen, aber nur Schleim. Als ich dann morgens um 06:00 h wach wurde, habe ich erst einmal meinen Mann "ins Bett geschickt", da ich ohnehin Frühaufsteherin bin. Der Vater war ziemlich genau auch um 06:00 h in einen Tiefschlaf gefallen, habe stündlich nach ihm gesehen, er schlief tief und fest bis gestern Mittag.
Nicht mehr ganz so verwirrt, konnte wieder etwas besser sprechen, irgendwann war er bereit, eine halbe Banane zu essen und obwohl er sonst immer Durst hat, wollte er nicht mehr als einen Schluck zwischendurch. Ging ihm bis nachmittags ein klein wenig besser, aber war doch noch besorgniserregend, so daß wir ihm dann das Krankenhaus vorschlugen. Er ist übrigens gerne in Krankenhäusern, auch wenn es verrückt klingt, scheint für ihn ein willkommener Tapetenwechsel zu sein, muß noch erklären, daß er immer schon sehr sprunghaft war und ständig Abwechslung braucht. Da war im Pflegeheim natürlich gar nichts für ihn an Abwechslung, bei uns zuhause hatte er sich schnell sichtbar erholt, zugenommen, irgendwann im Frühjahr konnte er sogar wieder allein laufen!!!!!!! Er sah ein, daß er jetzt in diesem Zustand von uns nicht mehr optimal betreut werden konnte und wir konnten auch diese Verantwortung nicht mehr tragen. Es war mir nämlich auch gestern nicht möglich, ihm seine wichtigen Medikamente zu geben, 10-14 verschiedeneTabletten 4 x täglich kriegt ja niemand mit nur einem Schluck Wasser herunter. Das mit dem Krankenhaus war für ihn in Ordnung, da hatte ihm im Juni bei seinem letzten Aufenthalt dort das Essen auch sehr gut geschmeckt, wie er immer wieder betonte.
Nun ja, der Krankenwagen ließ dann nochmals zwei Stunden auf sich warten, die Sanis kamen mit der Trage, ich stand zwecks Begleitung schon startklar mit der gepackten Tasche da, mein Mann zeigte den Sanis Vaters Zimmer und - ob Ihr es glaubt oder nicht - plötzlich keine Verwirrtheit, keine unverständliche Sprache mehr. Wir wurden auf das Übelste in völlig klaren Worten beschimpft (von wegen "die wollen mich loswerden" usw.). Zwei der Sanitäter hatten ihn mal im November gesehen, sie erinnerten sich, daß sie mich da wegen eines eingeklemmten Nervs im Rücken in ein Krankenhaus gebracht hatten. Das war nach unserem Umzug und kurz nach dem Einzug des Schwiegervaters, hatte mich wohl verhoben, da noch etwas ungeübt.
Jedenfalls brachten sie ins KKH, ich fuhr hinterher und konnte kaum glauben, was ich da gerade erlebt hatte. In der Notaufnahme schilderte ich seine Beschwerden, Krankheiten, und speziell die letzten Tage/Nächte. Die arme Ärztin hatte Mühe mich zu verstehen, da auch hier wieder eine wundersame Wandlung stattfand, Schwiegervater beschimpfte mich in ihrem Beisein lautstark, obwohl er in der Nacht noch nicht mal mehr Worte formen konnte, es waren nur leise, krächzende Laute. Sie fand ihn auch auf den ersten Blick recht ausgetrocknet, auf die Frage, warum er denn nichts mehr essen/trinken wolle, Antwort, kein Hunger, warum kein Hunger, "die kann doch nicht kochen" und so weiter und so fort.
Ihre erste Vermutung war halt Austrocknung oder auch nach EKG Verdacht auf Schlaganfall. Sie schlug ntsprechende Maßnahmen für die Ernährung und Medikamentengabe intravenös vor, ich fuhr erleichtert nach Hause + dachte nur noch an den möglichen Schlaganfall, daß ihm nun kompetent geholfen werden konnte und wir hoffentlich alles richtig gemacht hatten.
Heute morgen kam der nächste "Schock" für meinen Mann und mich. Habe versucht, im Krankenhaus eine gesicherte Diagnose zu erfahren, war leider gerade kein Arzt da. War aber auch nicht mehr nötig, denn ich erfuhr von der Schwester, daß sich mein Schwiegervater völlig normal benimmt, keinerlei Verwirrtheit, erst recht nicht die geringste Sprachstörung und nun kommt der Hammer, er ißt und trinkt ganz allein und ohne Hilfe ganz normales Essen mit allergrößtem Appetit!!!!!!!!!!!!!!!! Nichts Intravenöses notwendig gewesen, da sitzt oder liegt heute ein völlig "gesunder" Mann dort im Bett, wo sich jemand, der sich mit den Besonderheiten alter Menschen nicht auskennt, wohl nur wundern würde, warum er überhaupt dorthin gebracht worden ist.
Werde mich noch einmal melden, jetzt aber versuchen, Schlaf nachzuholen,
Viele Grüße,
Elisabeth