#5 von Struppi » 09 Jan 2007 19:20
Hallo tapdog2007,
hallo an alle anderen Schreiber!
Zunächst wünsche ich allen ein frohes neues Jahr!
Zu Deinen Sorgen, Tapdog...
Ich bin seit vielen Jahren inko, hatte aber am Anfang die gleichen Sorgen wie Du, war genau so hilflos und fühlte mich ausgeliefert, alleingelassen und ausgegrenzt. Ich habe unsagbar viel Energie darauf verschwendet, meine Inko geheim zu halten, habe mich viel zu lange niemandem anvertraut, nicht mal meinen Freunden und meiner Familie.
Nach den ersten OP's (hatte einen Tumor an der Wirbelsäule, ein s.g. Osteosarkom) und den entsprechenden weiterführenden Untersuchungen war klar, dass die Inkontinenz irreversibel war, ich damit leben musste - und dies unter keinen Umständen wollte! Das Wort "Inkontinenz" war für mich in der ersten Sekunde erschreckender als die Tatsache, dass ich Querschittgelähmt war - klingt schräg, ich weiß, aber zurückblickend erinnere ich mich so... Ich lehnte Besuche meiner Freunde ab, wollte niemanden sehen. Auch nicht, als ich aus der folgenden Reha entlassen wurde. Ich fühlte mich in meiner Menschenwürde herabgesetzt und gedemütigt.
Wie Matti schon bemerkte: Auch bei meiner Reha hatte mich niemand darüber aufgeklärt, welche Alternativen es zu Windeln gibt - ein klares Versagen der mich behandelnden Therapeuten und Ärzte!!!
Versuche, mit Deinen Therapeuten in der Reha über die von Matti angesprochenen anderen Methoden (Katheter, Blasenfistel, Kondomurinal etc.) zu reden! Die meisten Reha-Einrichtugen bieten auch eine spezielle Kontinenz-Therapie an. Versuche jeden Weg, verzweifle aber nicht, wenn es nicht funktionieren sollte... Inkontinenz ist nicht das Ende der Welt - auch, wenn sich das hier jetzt so lax anhört.
Ich musste einen langen und schmerzhaften Prozess durchlaufen um zu erkennen, dass die Inko mein gerinstes Problem war. Ich hatte mich in der Zeit selbst isoliert, war verbittert und einfach ungenießbar. Mach nicht den selben Fehler!
Mit den heute zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln kann man ein ausgezeichnetes, freies Leben führen.
Auch die Angst, jemand könnte es merken und entsetzt aufschreien oder in hysterisches Gelächter ausbrechen ist (im Regelfall) unbegründet. Diese "Schulhofängste" solltest Du gar nicht erst in Dir aufkommen lassen. Es ist eine Erkrankung, nicht weniger aber schon gar nicht mehr. Über Brillen wird ja im Erwachsenenalter auch nicht mehr gelästert.
Okay, nun mag der eine oder andere sagen: Brille und Windel sind wohl kaum miteinander vergleichbar... Warum eigentlich nicht? Es sind lediglich Hilfsmittel, die ein bestehendes körperliches Hadykap regulieren... - so betrachte ich die Angelegenheit inzwischen.
Was Inkontinenz in der Beziehung und Sexualität angeht: Bei mir war das - nachdem ich meine unbegründete Menschenscheu endlich abgelegt hatte - kein Problem. Der Mensch wird geliebt, nicht seine körperlichen Eigenschaften. Klingt blöde, aber auch in dieser Beziehung solltet Du ruhig die Hilfe eines Theapeuten evtl. auch einer Paartherapie in Anspruch nehmen.
Kopf hoch und mach Dich nicht verrückt, warte erst mal ab, wie sich Dein Krankheitsbild weiter entwickelt.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie jedenfalls alles Gute und falls Du weiteren Kontakt möchtest oder Fragen hast, dann poste hier oder schreibe mir eine Mail.
Mit den besten Wünschen
Struppi